Wolfgang Schlüter über Kurt Sohns

Im ersten Raum der Kollektivausstellung, die uns über das von Kurt Sohns während eines Vierteljahrhunderts Geschaffene blicken läßt, hängt ein Gemälde mit dm Titel „Wienhäuser Bauerngarten“. Es ist ein friedliches Bild, maBvoll in seiner künstlerischen Haltung, dem Gegenstande – einer niedersächsischen Landschaft – in herzlicher Schlichtheit zugetan, es scheint, als dokumentiere sich darin die freundliche Problemlosigkeit selber. Dabei hat das Dargestellte seine kleine, nicht nur friedlich-heitere Geschichte. Denn der bunt und fröhlich überblühte Erdaufwurf, der vor einer roten Backsteinscheune den belebten Mittelgrund bildet, ist nichts anderes als ein kleiner Trümmerberg, zusammengekarrte Reste eines im Kriege zerstörten bäuerlichen Wohnhauses. Sein früherer Besitzer hatte das vorerst Beste damit zu machen gewußt, er streute Blumensamen darauf und siehe da: das Abgestorbene, nutzlos Gewordene wandelte sich zum tröstlichen Anblick. Für die vornehmlich auf Verhaltenes und Lyrisches, auf Maß und Ausgleich gestimmte Kunst des Malers Kurt Sohns scheint es geradezu typisch, wenn nicht sinnbildhaft, daß ihm dies im Jahre 1945 vor Auge und Leinwand kam, Dennoch wäre es sicherlich falsch, wollte man seiner versöhnlichen Sicht der Dinge, seiner ungewöhnlich harmonisch in sich geschlossenen Bilderwelt nachsagen, Sohns betriebe – wenn auch modern eingefärbt – eine idyllische Schönmalerei. Gibt es andererseits bei unszulande nicht eigentlich übergenug der spekulierenden Schwerblütigkeit, und sollten wir uns darum nicht über jeden Niedersachsen freuen, dessen Palette die helleren, warmen, optimistischen Töne bevorzugt?

Kurt Sohns, so möchte man vergleichs- und anlehnungsweise sagen, ist im wesentlichen ein Maler in Dur. Eine ebenso gewissenhafte wie behutsame Auseinandersetzung mit den Formtendenzen der Neuen Malerei, die bei ihm seit einem guten Jahrzehnt zu beobachten ist, hat ihn jedenfalls davor bewahrt, auf der einmal eingeschlagenen und beibehaltenen Linie stereotyp oder eintönig zu werden. Die Modulationen der Sohnsschen Farbklänge haben sich aus den noch erdigen Anfängen über Reminiszenzen an bäuerlich-vitale Heiterkeit bald zu delikateren, sichtlich von Pariser Vorbildern mitbestimmten Akkorden entwickelt. In ähnlicher Weise nahm bei ihm das Formale seinen Weg: ein vorsichtiges aber niemals zaghaftes Experimentieren mit dem Bildaufbau, der aus manchen Ansätzen zu härteren Flächenverspannungen stets bald zurückfindet zum Geschmeidigen, Gelockerten. Auch geometrisch fixierte Bildelemente, etwa das wiederholt auftauchende Schachbrettmuster von Fliesenböden erscheinen bei Sohns gewissermaßen „,entschärft“. Eine besondere Stärke dieses Malers ist die Intimität ohne Kleinlichkeit oder falsche „Verinnerlichung“. So gelangen ihm aus dem Themenkreis des Interieurs, zum Beispiel bei den oft gemalten Kindern oder weiblichen Gestalten im Raum, ungemein reizvolle Lösungen, die sich bei allem Stimmungshaften des Ausdrucks weit entfernt halten von dem, was als Stimmungsmalerei verschrieen ist. Ebenfalls nicht ohne Reiz ist es, den Varianten des Stilleben-Motivs nachzugehen, das bei Sohns oftmals selbständig aber auch als Bestandteil größerer Kompositionen auftritt.

Auch bei fortschreitenden Abstraktionstendenzen hat Kurt Sohns das Wirklichkeitsobjekt nie ganz fallen gelassen. Selbst auf einem seiner letzten Bilder, der frei und souverän übersetzten südfranzösischen Landschaft mit dem Titel Cassis“ gibt es „,Erkennbares“ in Gestalt fröhlicher kleiner Schiffe, wie sie auch sonst gern in Bildern dieses Malers auftauchen. Selbstkritische Gewissenhaftigkeit in allem Handwerklichen, wie sie sich bei einem Künstler von selbst verstehen mag, der ehedem an der hannoverschen Kunstgewerbeschule lehrte und nun seit über einem Jahrzehnt als Professor für Zeichnen und Malen an der Technischen Hochschule wirkt, ist im übrigen an vielen von Sohns‘ zeichnerischen Arbeiten und Vorstudien abzulesen. Solche Blätter mit den dazugehörigen Bildern zu vergleichen und dabei das Fortschreiten, das Reifen eines Bildgedankens zu verfolgen, bietet sich mitunter geradezu an bei diesem bisher größten Rechenschaftsbericht über das Werk eines arrivierten einheimischen Malers, der regelmäßig an den großen überregionalen deutschen Ausstellungen beteiligt ist und auch im Ausland schon mancherlei Beachtung fand. (In diesem Jahre ist Sohns auf der Ausstellung „German art of to-day“ in Rangoon vertreten)

Sein systematisch durchgebildetes Formgefühl, das kleinen wie großen Bildformaten mit gleicher Sicherheit begegnet, legitimiert Kurt Sohns auch als Maler von Wandbildern, zum Teil sehr ansehnlicher Größe, ein künstlerisches Gebiet, zu dem in gewisser Weise die Mosaiken und die Glasfenster gehören, die er für hannoversche und hildesheimer Auftraggeber entwarf.

Wolfgang Schlüter